Erstellt von Norbert Cuypers SVD

Pater Cuypers Kolumne: Zu viele Schafe in der Krippe?

Schafe gehören zur Weihnachtskrippe
Zu viele Schafe in der Weihnachtskrippe?

„Vor lauter Schafen sieht man das Jesuskind gar nicht", beschwerte sich ein Besucher bei P. Norbert Cuypers | Foto: Dan Kiefer/Unsplash

Der Steyler Pater Norbert Cuypers lebt als Eremit in einer Einsiedelei am Rande eines Waldes im Südsauerland und betreuet einen kleinen Wallfahrtsort. Hier berichtet er von seinen Begegnungen mit Besuchern und seinem Leben als Einsiedler

Sind Sie der Einsiedler, mit dem man auch mal persönlich sprechen kann?“, fragte mich in der Weihnachtszeit letzten Jahres ein Besucher an der Tür meiner Klause. Mit meinem Ja schien die Person nicht ganz zufrieden, denn sie wollte auch wissen, ob ich denn für solche Gespräche überhaupt qualifiziert sei. Ich war verdutzt. Danach hatte mich in meinen langen Jahren in der Seelsorge noch nie jemand gefragt. Ich bot an, meine Zeugnisse in „Gesprächsführung“ und als „Geistlicher Begleiter“ vorzulegen. Aber die Person winkte ab.

„Schon gut, ich glaub’s Ihnen“, meinte sie schließlich mit einem leicht harschen Unterton. Ich muss zugeben, dass ich mich nach diesem Einstieg erst einmal etwas schwertat, mich auf sie und ihr eigentliches Anliegen einzulassen, zumal sie dann noch begann, über die ihrer Meinung nach viel zu große Krippe in der kleinen Kapelle zu lamentieren. „Und diese Schafe. Viel zu viele sind das. Furchtbar!“

Darauf ging ich nicht weiter ein, und so kamen wir schließlich auf ihr eigentliches Thema zu sprechen, das ich hier selbstverständlich nicht weiter ausbreiten kann. Nur so viel: Dieser Mensch schien jemand zu sein, der äußerlich hart auftrat, innerlich aber sehr bedürftig war. Deswegen kam mir gegen Ende die Idee, meinem Gegenüber vorzuschlagen, noch einmal zur Krippe in die Kapelle zu gehen.

„Achten Sie dabei nicht mehr so sehr auf die vielen Schafe. Nehmen Sie stattdessen das kleine Jesuskind, das da mit ausgestreckten Armen im Stall liegt, und drücken Sie es an Ihr Herz. Spüren Sie nach, wie das so ist, wenn Sie aus Liebe von diesem Jesus umarmt werden.“ Mit dieser kleinen Hausaufgabe, über die mein Gesprächspartner offensichtlich irritiert war, verabschiedeten wir uns beide.

In den ersten Tagen des neuen Jahres klingelte jener Mensch noch einmal an meiner Tür und bat abermals um ein Ge- spräch. Seine Gesichtszüge wirkten wesent- lich entspannter als bei unserer ersten Begegnung. „Ich komme im Grunde nur, um Ihnen zu danken“, eröffnete er unser Gespräch. „Tatsächlich war ich ja über das, was Sie mir da in der Weihnachtszeit empfohlen hatten, einigermaßen überrascht.

Es brauchte seine Zeit, bis ich mich traute, das Jesuskind aus der Krippe zu nehmen und ans Herz zu drücken. Aber als ich mich dazu überwunden hatte, spürte ich plötzlich so viel Wärme in meinem Herzen. Trotz all meiner Probleme fühlte ich mich angenommen und umarmt. Das hat richtig gutgetan, und ich habe es dann noch oft bei mir zu Hause wiederholt.“

Da hat sich bei diesem Menschen innerlich etwas gelöst, dachte ich mir, und dann mussten wir beide tatsächlich schmunzeln, als die Person gleich hinterherschob: „Ach ja, und übrigens: Die vielen Schafe haben mich dabei überhaupt nicht gestört. Die Krippe in Ihrer Kapelle ist im Grunde doch recht schön!“

Vor lauter Schafen das Kind in der Krippe nicht übersehen und zulassen, dass es mich mit seiner Liebe umarmen will. Daran denke ich auch noch nach einem Jahr, und wer weiß: Vielleicht werde ich meinem eigenen Hinweis folgen und das Jesuskind an Weihnachten aus der Krippe nehmen und umarmen.

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