Es mag so um die zwei Jahre her sein, als ich mit einem Ehepaar und seiner Familie die Goldene Hochzeit im Rahmen einer kleinen Andacht begehen durfte. An jenem Tag war das Jubelpaar guter Dinge und genoss dankbar sein Fest. Vor Kurzem nun traf ich die beiden wieder, als sie gerade ein Teelicht in der Kapelle neben meiner Klause angezündet hatten. Dieses Mal sahen sie traurig aus. Darauf angesprochen, meinte der Mann: „Na ja, ich habe in den kommenden Tagen eine große Untersuchung vor mir und weiß nicht, wie sie ausgehen wird.“ Seine Frau ergänzte: „Das ist gerade keine leichte Zeit für uns beide. Aber vor über 50 Jahren haben wir uns unsere gegenseitige Liebe versprochen und die umfasst eben auch die Unterstützung und den Beistand bei gesundheitlichen Problemen. Das ist jetzt der Fall. Da müssen wir durch. Aber Gott ist ja auch noch da!“
Über solch ein Glaubenszeugnis konnte ich nur staunen. Unabhängig von den widrigen Umständen erinnerte sich das Paar ganz konkret an das, was sie einst in der hohen Zeit ihrer Liebe, der Hochzeit eben, einander zugesagt hatten: „Ich will dich lieben, achten und ehren alle Tage meines Lebens, in guten und in schlechten Zeiten, in Gesundheit und Krankheit. Bis dass der Tod uns scheidet.“
Ähnlich klingt das bei Gott, der seinem Volk immer wieder die Treue zugesagt hat: „Mit ewiger Liebe habe ich dich geliebt, darum habe ich dir die Treue bewahrt“, heißt es beispielsweise beim Propheten Jeremia im Alten Testament. Wenn wir in den kommenden Wochen Weihnachten feiern, dann dürfen wir bedenken, dass diese Zusage Gottes gleichsam Hand und Fuß bekommen hat – im unfassbaren Geheimnis der Menschwerdung Gottes.
„Der Sohn Gottes ist Mensch geworden, damit wir vergöttlicht werden.“ Dieser kühne Satz stammt nicht, wie man vielleicht vermuten könnte, aus einer modernen Predigt oder einer spirituellen Überhöhung. Vielmehr geht er auf Athanasius von Alexandria zurück, der im 4. Jahrhundert lebte und zu den ganz großen Theologen der Kirchengeschichte zählt. Natürlich will Athanasius nicht damit sagen, dass wir zu allmächtigen Göttern werden, sondern dass Gott uns in seiner Treue so nahekommt, dass er uns Anteil an seinem göttlichen Leben schenkt – an seiner Liebe, seiner Gnade, seiner Ewigkeit. Diese Botschaft sprengt tatsächlich unsere Vorstellungskraft. Doch sie ist das Zentrum des Evangeliums. Wenn Gott selbst ein Mensch wird, dann zeigt er uns, wie kostbar für ihn das Menschsein ist – unser eigenes Leben eingeschlossen. An Weihnachten sagt uns Gott gleichsam das zu, was sich das Ehepaar vor über 50 Jahren versprochen hat:
„Ich (Gott) will dich (Mensch) lieben, achten und ehren alle Tage … in guten und in schlechten Zeiten, in Gesundheit und Krankheit.“
Weihnachten feiern bedeutet für mich daher nicht, bei der Bewunderung der Krippe stehen zu bleiben. Gottes Menschwerdung will meine Antwort, die darin liegen könnte, mein Leben in das Licht dieser göttlichen Liebe zu stellen und sie mit anderen zu teilen – an guten wie an schweren Tagen des Lebens.



