Erstellt von Ulla Arens

Steyler helfen in Paraguay: Neustart in Ciudad del Este

Bruder Thomas Hasler tanzt mit den Guarani
An den Tänzen der Guarani teilnehmen zu dürfen, ist eine besondere Ehre

Die Ava-Guarani haben Bruder Thomas Hasler eingeladen, an ihrem abendlichen Gebetstanz teilzunehmen | Foto: SVD

Wie beginnt man eine Mission? Wie erreicht man die Menschen? Thomas Hasler SVD erzählt, wie er in Paraguay versucht hat, eigene Antworten zu finden

Glaube, Hoffnung, Liebe – und ein Fahrrad. Damit beginnt Bruder Thomas Hasler vor knapp zwei Jahren seine neue Mission – als Leiter der Indigenen Pastoral in Ciudad del Este. Er soll die Guarani unterstützen. Es ist eine große Aufgabe. Die Indigenen leben in der Stadt und an deren Rändern unter menschenunwürdigen Bedingungen. Vertrieben von ihrem Land, das nun für Sojaanbau genutzt wird. Ignoriert und diskriminiert von Politik und Bevölkerung.

Anfang Februar vergangenen Jahres zieht er um in das große Haus der Steyler Missionare in Ciudad del Este, mit 300.000 Einwohnern die zweitgrößte Stadt Paraguays. Zwei Zimmer, eine Gemeinschaftsküche, das ist nun sein Zuhause. Die wenigen Bananenkisten mit Büchern und Kleidung, die er mitbringt, hat er schnell ausgepackt. Aber: was nun? Wie beginnt man eine neue Mission?

Indem man erst mal ein Fahrrad kauft. Schwarz und mit acht Gängen. Die 250 Euro dafür hatten ihm seine Eltern geschenkt. Denn als Missionar kommt der gebürtige Schweizer mit leeren Händen zu seiner neuen Stelle. Und von den 65 Euro Taschengeld im Monat, die ihm zustehen, kann er es nicht finanzieren.

Bruder Hasler und die Guarani

Jeden Morgen radelt er los. Sein Ziel: die Straßen, Plätze und Kreuzungen, an denen Guarani sitzen. Wechselt die Ampel auf Rot, putzen sie die Windschutzscheiben der Autos. Haben sie Glück, gibt ihnen ein Autofahrer 500 Guarani, umgerechnet sieben Cent. Die meisten geben nichts. Der Missionar setzt sich zu ihnen. „Die Indigenen sind anfangs sehr wortkarg, da kann man gut eine halbe Stunde gemeinsam verbringen, ohne zu reden.“ Also schweigt er mit ihnen und teilt seinen Tereré, einen kalten Matetee, den man durch ein Röhrchen trinkt.

Sie fassen Vertrauen zu dem unscheinbaren Mann mit den grauen Haaren. Weil Bruder Hasler ein stiller Mensch ist, der sich nicht aufdrängt. Weil er ihre Sprache spricht. Weil er ihnen mit Empathie und Respekt begegnet. Und irgendwann erzählen ihm die Männer, wo die Gemeinschaften leben, laden ihn ein. „So habe ich nach und nach die verschiedenen Stämme in der Stadt und im Umland kennengelernt.“

Behutsam helfen, ohne sich aufzudrängen

Davon gib es drei. Die Maka, die Kunsthandwerk verkaufen. Die Mbya und die Ava, die unter anderem auf einer Müllhalde leben und nach Abfällen suchen, um sie zu Geld zu machen. Oder auf den Straßen ihre Dienste anbieten. Sie alle wohnen in Hütten, die sie aus Ziegeln, Wellblech, Holz oder Plastik zusammengezimmert haben. Neuankömmlinge leben in Zelten. Unter solchen Lebensbedingungen ist es schwer, die eigene Kultur und Religion zu erhalten.

Solange er als Einzelkämpfer unterwegs ist, versucht Bruder Hasler zu helfen, wo immer es nötig ist. Sein Motto? „Handeln, nicht reden.“ Er fährt Kranke in die Klinik, wartet mit ihnen, bis sie aufgerufen werden. Er hilft beim Bau eines Gebetshauses. Um Land zu bekommen, schreibt er für die Häuptlinge Briefe und Anträge an die Stadtverwaltung – auch im Namen der Diözese. Lesen und ­Schreiben können nur die Jüngeren. Bürokratie ist in ihrer Kultur ohnehin unbekannt.

Weitermachen, auch wenn Zweifel kommen

Bruder Hasler hat bereits vieles erreicht: Er konnte Pumpen kaufen, damit die Familien endlich sauberes Wasser haben. Mit der Katholischen Universität gründete er eine Zusammenarbeit, nimmt die angehenden Ärzte, Rechtsanwälte und Architekten mit in die Gemeinschaften, um sie für die Probleme der Indigenen zu sensibilisieren. Mit Spendengeldern ließ er Karren bauen, damit die Guarani wiederverwertbaren Abfall transportieren können. Dank seiner Hilfe können viele indigene Kinder jetzt die Schule besuchen: Er überredete Beamte, ihnen die dafür fehlenden Dokumente zu beschaffen.

Der Steyler Missionar hat viele Ideen, wie er den Guarani helfen und ihnen auch politisch Gehör verschaffen kann. Dazu braucht er aber nicht nur Helfer, sondern auch Geld. Das er nicht hat. Momentan stehen ihm nur 300 Euro im Monat für seine Mission zur Verfügung. Manchmal zweifelt der Missionar, ob er ihr gerecht wird, fühlt sich machtlos angesichts der großen Aufgabe. „Das Ziel ist ja letztlich Hilfe zur Selbsthilfe. Doch davon sind wir noch weit entfernt.“ Kraft geben ihm die Mitbrüder im Missionshaus, bei denen er sich aufgehoben fühlt. Und die Guarani. Er wird nicht nur zu ihren Festen eingeladen. Er darf auch bei ihren Gebets­tänzen mittanzen. 

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Die Guarani

„Ursprünglich war Paraguay besiedelt von den Guarani. Sie waren Halbnomaden, lebten vom Jagen und Fischen sowie dem Sammeln von Früchten und Wurzeln. Heute leben in Paraguay nur noch etwa 20.000 Guarani. Die große Mehrheit der Bevölkerung bilden sogenannte Mestizen, die aus der Verbindung der spanischen Eroberer mit den Guarani hervorgegangen sind. Längst sind es die Sojafarmer und Viehzüchter, die sich illegal des indigenen Landes bemächtigen, die Wälder abholzen, die Böden mit Pestiziden verunreinigen. Der Klimawandel und größere Bauvorhaben, aber auch das Entstehen riesiger Monokulturen führen zu Vertreibung und Landflucht. Obwohl in der Verfassung steht, dass sie Anrecht auf Land haben, bekommen die Guarani es kaum vom Staat – auch weil es teuer ist.“

Die Folgen der Vertreibung

  • Die Guarani verlieren symbolische Orte, darunter auch Friedhöfe, die für ihre Identität wichtig sind.
  • Sie finden keine Arbeit, weil ihre traditionellen Kenntnisse und Fähigkeiten in der Stadt nicht gebraucht werden.
  • Sie können sich nicht ausreichend und gesund ernähren.
  • Kinder, Jugendliche, Mütter und alte Menschen sind gezwungen, auf den Straßen etwas Geld zu verdienen, auch durch Betteln. Das macht sie wehrlos gegen Misshandlungen.
  • Mädchen und Frauen werden sexuell ausgebeutet, Opfer von Menschenhandel.
  • Ohne den Schutz einer funktionierenden Gemeinschaft betäuben die Guarani die Hoffnungs­losigkeit mit Alkohol und Drogen.

Spenden

Wenn Sie die Arbeit von Bruder Thomas Hasler SVD mit den Guarani unterstützen wollen, können Sie spenden:

DEUTSCHLAND
Steyler Mission
IBAN: DE77 3862 1500 0000 0110 09
Stichwort: 23LJPARC

ÖSTERREICH
Missionsprokur St. Gabriel International
IBAN: AT26 2011 1800 8068 0800
Einzahlungsreferenz: 1317X

SCHWEIZ
Steyler Missionsprokur
IBAN: CH16 0900 0000 9001 3192 2
Kennwort: Leben jetzt Paraguay

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