Erstellt von Ulla Arens

Steyler helfen Obdachlosen in Brasilien

Steyler helfen Obdachlosen in Brasilien
Steyler helfen Obdachlosen in Brasilien

Eine Wohnung ist zu teuer. Nun leben Antonio und Kelly da Silva im Zelt, versuchen Tochter Naomi trotzdem Geborgenheit und ein Zuhause zu geben. | Foto: Gabriela Portilho

Das Netz, das überleben hilft: Armut gab es schon immer in Brasilien. Doch durch die Pandemie und die soziale Krise im Land haben jetzt noch mehr Menschen alles verloren, auch ihre Wohnung. Die Steyler Organisation „Rede Rua“ (Straßennetz) setzt sich für die Armen ein.

Das gewohnte Leben endete, als der Vermieter sie aus ihrer Wohnung in São Paulo vertrieb. Angeblich, weil das Gebäude marode sei, vermutlich aber wegen eines lukrativeren Bauprojekts. Eine andere billige Wohnung fand die Familie nicht. Als Straßenverkäufer verdienen sie nur sehr wenig, vor allem in Coronazeiten.

Seitdem lebt das Ehepaar Antonio, 48, und Kelly, 45, da Silva mit ihrer fünfjährigen Tochter Noemi auf einem der zentralen Plätze mitten in der brasilianischen Zwölf-Millionen-Stadt. Nachts schlafen sie in einem Zelt, dem Kelly zumindest den Anstrich eines Zuhauses zu verleihen sucht. Der Boden ist mit dicken, bunten Decken ausgelegt. An den Seiten stehen ordentlich aufgereiht Kisten und Kartons, die Lebensmittel, Kleidung und ein wenig Spielzeug enthalten.

Immer mehr Familien werden obdachlos

Die Sorge der Eltern gilt ihrer Tochter, um die sie sich liebevoll kümmern und die sie nicht aus den Augen lassen. „Ich habe Angst, dass ihr etwas zustößt, dass sie an Corona erkrankt“, sagt Kelly. Einige Verwandte seien schon daran gestorben.

Obdachlose gehören zum Stadtbild der Metropole. Der Weg von der unteren Mittelschicht zum Leben auf der Straße ist sehr kurz in Brasilien, dessen Wirtschaft strauchelt. Bei der ersten offiziellen Zählung 2019 waren es 24.344 Obdachlose. Seit der Pandemie, bei der viele Menschen ihren Job verloren haben, dürften es weit über 30.000 sein, immer mehr davon sind Familien. Jede freie Nische in der Stadt ist besetzt. Nachts liegen die Menschen auf öffentlichen Plätzen, an Unterführungen, unter Brücken, vor Hauseingängen, in Straßentunneln. Auf dem Boden, auf Pappe, in Zelten oder hinter Plastikplanen. Um sie herum die Hochhaustürme des Finanz- und Handelszentrums Brasiliens.

Es ist nicht nur der Hunger, der die Menschen bedroht. „Auf der Straße sind sie dem Coronavirus hilflos ausgeliefert“, sagt Pater Arlindo Pereira Dias SVD. Ein Virus, das Präsident Bolsonaro als „kleine Grippe“ bezeichnet, an dem in Brasilien aber bereits über 560.000 Menschen gestorben sind.

Seit 30 Jahren engagiert sich Pater Arlindo mit der von ihm gegründeten Organisation „Rede Rua“ für die Obdachlosen der Stadt. Die Organisation, die auch von anderen Orden und Spendern getragen wird, bietet den Betroffenen soziale Unterstützung und versucht, ihnen wieder ein Dach über dem Kopf zu verschaffen. „Wir kämpfen für das Recht der Armen auf Arbeit, Wohnung, Gesundheitsfürsorge und Bildung“, so Pater Arlindo. „Vor allem aber für ihre Würde und für Respekt.“

Im Zentrum von São Paulo hat die Bankgewerkschaft „Rede Rua“ eine Sporthalle zur Verfügung gestellt. Morgens um neun stehen die Hungrigen bereits in langen Schlangen vor der Tür, meist Männer. Jeder wird vom „Rede Rua“-Team, das aus freiwilligen Helfern und von der Organisation angestellten Obdachlosen besteht, freundlich begrüßt und bekommt ein Desinfektionsmittel, um sich die Hände zu säubern. Auf den 350 Plastikstühlen warten die Menschen dann aufs Essen. Etwa 1.100 Portionen werden hier jeden Tag verteilt.

Dreimal die Woche ist die „Chapeleria Social“ geöffnet, eine Art Sozialstation. Viele Obdachlose kommen regelmäßig hierher, um zu essen, zu telefonieren, zu duschen, ihre Wäsche zu waschen oder sich an einen Computer zu setzen. Bei Bedarf können die Klienten sich auch von einem Anwalt beraten lassen – etwa, wenn sie eine Geburtsurkunde brauchen, um vom Staat Corona-Hilfeleistungen zu erhalten. Auch medizinisch-psychologische Hilfe wird angeboten, eine Kleiderkammer und Schließfächer gehören ebenfalls zum Angebot.

Der Weg zurück ist nicht leicht

Gibt es für Menschen wie Kelly und Antonio einen Weg zurück? „Je länger Menschen auf der Straße leben, umso schwerer wird es“, sagt Pater Arlindo. „Ihre körperliche und seelische Gesundheit leidet. Außerdem: Ohne festen Wohnsitz finden sie keine Arbeit. Die brauchen sie aber, um sich die Miete leisten zu können.“

Antonio und Kelly wollen es unbedingt zurückschaffen. Sie geben sich nicht auf, schon allein wegen ihrer Tochter. „Nur weil wir obdachlos sind, werden wir nicht nachlässig“, so Kelly. „Ich halte unser Zelt genauso in Ordnung wie früher die Wohnung.“

Mehr zum Projekt der Steyler Missionare finden Sie in unserer Zeitschrift.

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Und was kann ich tun...?

Über 40.000 Menschen leben bei uns auf der Straße. Auch sie sind Menschen, die unsere Wertschätzung und unseren Respekt verdient haben.

Nehmen Sie sie wahr. Jeder freut sich über ein Lächeln oder ein freundliches Wort.

Sprechen Sie sie an und fragen Sie, was sie gerade benötigen. Das kann Geld oder eine Sachspende sein. Die Obdachlosen entscheiden, wofür sie das Geld ausgeben.

Fragen Sie, ob sie Hilfe brauchen, wenn es ihnen nicht gut geht.

Wenn Sie die Arbeit von Pater Arlindo Pereira Dias (hier links im Bild) und „Rede Rua“ unterstützen wollen, können Sie spenden:
Missionsprokur Deutschland
IBAN DE77 3862 1500 0000 0110 09
Stichwort: Rede Rua – Leben jetzt
Missionsprokur Österreich
IBAN AT26 2011 1800 8068 0800
Referenznummer: 1139x
Missionsprokur Schweiz
IBAN CH16 0900 0000 9001 3192 2
Stichwort: Rede Rua – Leben jetzt

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