Erstellt von Xenia Frenkel

Was uns Don Camillo und Peppone über gegenseitiges Verständnis lehren können

Don Camillo und Peppone
Feinde und doch Freunde: Don Camillo und Peppone

Zwei Streithähne unter sich: Fernandel als Don Camillo und Gino Cervi als Peppone. | Foto: akg images

„Bitte, lass mich diese schöne Kerze auf seinem Haupt zerschlagen!“, bittet Don Camillo und fragt treuherzig den Gekreuzigten: „Was soll schon passieren?!“ Eben. Aber Jesus ist trotzdem dagegen. Über 70 Jahre alt sind die Filmklassiker „Don Camillo und Peppone“ und immer noch unglaublich lustig. Ganz nebenbei kann man von den zwei legendären italienischen Streithähnen manches in Sachen Verständigung lernen

Wie man ­Brescello sieht, kommt auf den Standpunkt an. Steht man rechts, ist es die Gemeinde von Hochwürden Don Camillo, steht man links, ist es die Landwirtschaftsgenossenschaft des Genossen Peppone. Von oben gesehen allerdings ist es ein schönes Fleckchen Erde …“

Heiter beginnt die Geschichte dieses kleinen Örtchens, es liegt in der „Bassa“, jener fruchtbaren Ebene, die der Po zwischen Alpen und Apennin geschnitten hat. Im Dorf geben nämlich zwei recht eigenwillige Charaktere den Ton an: der katholische Geistliche Don Camillo, ein gottesfürchtiger, streitsüchtiger Mann aus dem Volk, mit Riesenflossen, kein blasses Jüngelchen aus dem Priesterseminar, und der nicht weniger streitlustige, kommunistische Bürgermeister Giuseppe Bottazzi, genannt „Peppone“. Im Nachkriegsitalien der Name für Josef Stalin. Peppone trägt denn auch Hammer und Sichel am Revers und einen schönen buschigen Schnauzer.

Zwei Streithähne, die sich nichts schenken

In meiner Kindheit kannte sie jeder. Unvergessen, wie Don ­Camillo mit dem Läuten der Kirchenglocken einen Auftritt des frisch gewählten Bürgermeisters torpediert, um wenig später auf seiner Moto Guzzi mit flatternder Soutane über die Landstraße zu knattern. Es gilt eine Marienkapelle zu retten, die nach Plänen Peppones dem „Haus des Volkes“ weichen soll. Da sei Gott vor!

Der ist natürlich stets präsent. Himmlisch die Zwiegespräche von Don Camillo mit dem Gekreuzigten, wobei man sich auch hier keineswegs immer einig ist. Als Jesus Don Camillo daran erinnert, „deine Hände sind zum Segnen da, nicht zum Prügeln“, erwidert Hochwürden kopfschüttelnd: „Man merkt, du bist nicht von hier.“

Übertriebener Respekt? Nur nicht anecken, lauwarm durchmogeln? Das ist Don Camillos Sache nicht. Wie heißt es in der Offenbarung? „Weil du aber lau bist und weder warm noch kalt, werde ich dich ausspeien aus meinem Mund“.

Nun, diese Gefahr besteht bei Don Camillo nicht, ebenso wenig bei seinem Widersacher Peppone. Sie brennen für ihre Sache. Der eine für Gottes Wort und Werk auf dieser Erde, der andere für Wort und Werk „der Partei“. Über das Wie gehen die Ansichten naturgemäß auseinander, aber Rom und Moskau sind weit weg, das lässt Spielraum.

Was die Welt im Inneren zusammenhält

Das Dörfchen ist kein Idyll, man kämpft mit Armut, Arbeitslosigkeit und Überschwemmungen, mit Krankheit und Tod. Dabei geht es auch immer um Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität mit den Schwachen, um Widerstand und Anpassung und um die Frage, was eine Gemeinschaft eigentlich zusammenhält. Um es gleich zu sagen: Ideologien und starre Überzeugungen sind es nicht.

So prallen zwar unterschiedliche Weltanschauungen aufeinander, man haut sich Beleidigungen um die Ohren oder auch mal eine Tischplatte, unterstellt wechselseitig Dummheit und Verblendung, aber, und das ist entscheidend, niemals bösen Willen. Selbstverständlich geht man davon aus, dass der andere ebenso lautere Absichten hegt wie man selbst.

Don Camillo und Peppone, verbunden durch eine gemeinsame Vergangenheit als Partisanen und die Liebe zu ihrer Heimat sind aus anderem Holz geschnitzt. Sie wissen, dass auch der andere „im Prinzip“ für die Menschen nur das Beste will.

Große Egos im Dienst an der Sache

Interessant auch das: Der Kommunist Peppone ist weder gottlos noch gehässig antikirchlich eingestellt. Undenkbar, den Sohn nicht taufen zu lassen, wobei man über die Wahl des Vornamens „Lenin Libero Antonio“ streiten kann, ach was, man muss. Don Camillo wiederum fühlt sich jedem seiner Schäfchen verbunden, auch den roten. Gewiss, die zwei haben ein großes Ego, doch das stellen sie in den Dienst der Sache und niemals über Gemeinschaftsgefühl, Güte und Gerechtigkeit.

Eines ist den beiden übrigens stets bewusst: Jeder ist auf seine Weise ein Sünder, Streitigkeiten legt man daher am besten bald bei dem einem oder anderen Glas Lambrusco bei. Alles andere ist verschwendete Lebenszeit.

So geht Verständigung

Auf einem Kongress empfahl Papst Franziskus die Filme als Beispiel für einen „volksnahen, demütigen, großzügigen, freudigen Humanismus“ der Kirche. Der unlängst verstorbene Papst Benedikt XVI., auch er ein großer Don-Camillo-und-Peppone-Fan, hat das vermutlich ähnlich gesehen. Er kannte die Filme beinah auswendig.

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Beim Sprechen brüllt und gestikuliert er

Nur wenige wissen, dass der literarische Don Camillo seinen Namen von dem im KZ Dachau ermordeten Priester und Partisanen Don Camillo Valoti hat. Guareschi hatte ihn in einem Lager kennengelernt.

Den widerspenstigen Charakter seiner Romanfigur schuf Guareschi nach dem Vorbild von Alessandro Parenti, einem Priester, den man wegen seines aufmüpfigen Wesens nach Trepalle strafversetzt hatte, mit 2.126 Höhenmetern das höchstgelegene europäische Dorf, das ganzjährig bewohnt ist.

Giovannino Guareschi verbrachte seine Sommerfrische gern in Parentis Pfarrhaus. 1948 schrieb er über ihn: „Ich empfehle euch, Don Parenti, den Präsidenten der steuerfreien Republik Trepalle, zu besuchen. Er hält sich bereits seit 20 Jahren dort auf, ein dünner und bodenständiger Kerl. Beim Sprechen brüllt und gestikuliert er.“ Man denkt sofort an Fernandels Don Camillo.

Alessandro Parenti lebte 41 Jahre bis 1980 in Trepalle, heute ein Ortsteil von Livigno. Er versteckte Juden, Flüchtlinge, Schmuggler und sorgte dafür, dass Trepalle Elektrizität bekam, später auch eine Wasser- und eine Telefonleitung und schließlich sogar eine im Winter befahrbare Zufahrtsstraße.

Zwei Monate, bevor aus Kardinal Roncalli im Oktober 1958 Papst Johannes XXIII. wurde, leerte er im Pfarrhaus von Trepalle mit Don Alessandro zwei Gläschen Courvoisier. Bei dieser Gelegenheit erkundigte sich Don Alessandro, warum man ihn denn ans Ende der Welt geschickt habe. Daraufhin sagte Roncalli: „Beschwer dich nicht, auf dieser Höhe hörst du den Herzschlag der Engel, und dafür solltest du dem Herrn danken.“

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