Erstellt von Melanie Fox

Verena Carl: „Ich bin die Kapitänin meiner Gefühle“

Verena Carl: „Ich bin die Kapitänin meiner Gefühle“
Verena Carl: „Ich bin die Kapitänin meiner Gefühle“

Weniger ärgern: Die Autorin nimmt sich bewusst kleine Auszeiten. | Fotos: Silje Paul Photography/Beltz

Selbstfürsorge – das war für die Hamburger Autorin Verena Carl früher ein „Egotrip für Menschen, die nur um sich selbst kreisen“. Dann probierte sie aus, für sich zu sorgen, ein Jahr lang, mit zwölf verschiedenen Strategien und in Begleitung ihrer Freundin und Mitautorin, der Diplom-Psychologin Anne Otto. Über die Ergebnisse spricht sie hier.

Leben jetzt: Sie haben ein Jahr lang versucht, besser für sich selbst zu sorgen. Leben Sie heute bewusster?
Verena Carl: Eine gute Frage. Es ist nicht so, dass dieses Jahr mein Leben völlig verändert hätte. Es geht eher um eine Haltung zu sich selbst: Mir die Erlaubnis zu erteilen, freundlich zu mir zu sein. Das klingt zwar simpel, ist mir aber vorher schwergefallen, weil ich mich selbst wie ein Rennpferd angetrieben habe. Im Job und in der Familie. Ich hatte strenge Stimmen in mir, die ich so nicht realisiert habe. Durch die Lizenz zur Selbstfreundlichkeit hat sich in mir etwas verändert. Ich habe einen besseren Kontakt zu meinen Gefühlen gewonnen.

Lj: Woran merken Sie das?
Carl: Bevor ich auf etwas spontan reagiere, meine Wut, meinen Ärger an meinem direkten Gegenüber auslasse, schaue ich mir an, woher dieses Gefühl jetzt tatsächlich kommt. Ich kann es besser einordnen und souveräner damit umgehen. Ich bin zur Kapitänin meiner Gefühle geworden.

Lj: Was hat Ihnen dabei denn konkret geholfen?
Carl: Das „Ärger-Fasten“. Für einen Moment innezuhalten, wenn Wut oder Ärger kommen; nicht direkt loszupoltern, nicht zu schnell zu emotional zu reagieren. Lieber drei Atemzüge, drei Gedanken daran „verschwenden“, mir eine adäquate Reaktion zu überlegen. Das löst Probleme nicht unmittelbar, hilft aber, sie nicht unbedingt lautstark auszutragen.

Lj: Verraten Sie uns Ihre Lieblings-Entspannungsübung.
Carl: Gemütlich hinsetzen, die Augen schließen, lockerlassen, atmen und sich beobachten. Spüren, wie fühlt sich das an, wo im Körper ist etwas eng oder verkrampft, tut etwas weh, wie schnell oder langsam atme ich, was fühle ich, fühle ich mich angespannt oder entspannt. Ein kleiner Bodycheck mit mir selbst. Wunderbar, simpel und effektiv, man kann es überall machen.

Lj: Im Oktober Ihrer Testreihe ging es darum, Natur intensiv zu erleben. Wie war das?
Carl: Ich bin barfuß durch einen Wald im niedersächsischen Wendland gegangen, habe über Stunden keine Menschen getroffen, mit allen Sinnen die Natur wahrgenommen, Dinge angefasst, gerochen. Eine überwältigende Erfahrung. Ein universelles Eins-Sein, ein fast spirituelles Erlebnis.

Lj: Was macht für Sie ein gelungenes Leben aus?
Carl: Verbindungen zu anderen, eine Aufgabe zu finden, die mich ausfüllt, an der ich wachsen und bei der ich meine Talente zeigen kann.

Mehr Fragen und Antworten finden Sie in unserer Zeitschrift.

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Offen für Neues

Die freie Journalistin und Buchautorin Verena Carl, 51, schreibt Romane, Kinder- und Sachbücher. In verschiedenen Magazinen wie „Brigitte“ oder „Eltern“ veröffentlicht sie Artikel über psychologische und gesellschaftliche Themen. Für ihre Werke wurde sie unter anderem zweimal mit dem Hamburger Förderpreis für Literatur ausgezeichnet. Verena Carl moderiert Lesungen und ist Mitbegründerin der Veranstaltungsreihe „Hamburger Schreibtisch“. Mit ihrem Mann und ihren beiden Kindern lebt sie in Hamburg.

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