Erstellt von Nadine Vogelsberg

Kein Glaube ohne Zweifel

Der ungläubige Thomas
Der ungläubige Thomas

Zweifeln ist menschlich. Der Apostel Thomas möchte laut biblischer Erzählung die Wunden von Jesus berühren - er sucht Beweise. | Foto: Mauritius

Dass der Apostel Thomas nicht das beste Vorbild ist, suggeriert schon sein Beiname: „Der Ungläubige“. Aber ist es wirklich so schlecht, auch einmal misstrauisch zu sein? Eine Auseinandersetzung mit der biblischen Figur und dem Zweifel in der Religion

„Du ungläubiger Thomas!“, schimpfte meine Mutter manchmal im Scherz, wenn mein Vater erst einmal überprüfen musste, ob ihre Abkürzung wirklich der schnellere Weg war. Sie irrte selten. Und vielleicht hat auch deshalb der Apostel Thomas für mich in Kindertagten nie ein Vorbild sein können.

Klar, in der Bibel wirken die anderen, gläubigen Jünger ja auch besser. Sie sehen den auferstandenen Jesus und glauben. Thomas aber war bei dieser Begegnung nicht dabei und reagiert zweifelnd auf die Erzählung der anderen Apostel.

Aber wenn wir mal ganz ehrlich sind: Ginge es uns nicht auch wie Thomas? Zumindest ein bisschen?

Bestimmt war auch er erschüttert von der Kreuzigung des Messias, bestimmt hat auch er gehofft und gleichzeitig Angst gehabt, dass seine Hoffnung und sein Glaube enttäuscht werden könnten. Und nun berichten alle anderen davon, dass sie Jesus tatsächlich gesehen haben! Hätten wir uns da nicht auch erst einmal gefragt, ob bei den anderen nicht der Wunsch der Vater der Erzählung ist?

Und der Zweifel ist grundsätzlich ja nicht schlecht. Ein gesundes Maß davon tut uns allen sicherlich gut: Stammt diese Information aus dem Internet wirklich aus vertrauenswürdiger Quelle? Spare ich bei diesem Sonderangebot wirklich Geld?

Häufig schadet ein wenig Hinterfragen gar nicht, im Gegenteil. Der Zweifel des Thomas ist ja keineswegs unüberwindlich. Aber er will erleben, was auch die anderen erlebt haben. Und damit ist er uns sicher sehr nah: Wie alle Menschen will Thomas verstehen, was vor sich geht, will der Sache auf den Grund gehen.

Außerdem: Glauben ist nichts, was mal eben von alleine passiert. Die meisten Gläubigen kennen Momente des Zweifels, haben schon einmal mit sich gerungen, wie Gott dieses oder jenes Unglück zulassen konnte, ob es ihn gibt oder er die Menschheit in all ihrer Schlechtigkeit nicht vergessen will. Es macht den Glauben ja eben aus, dass wir keinen wissenschaftlichen Beweis für Gottes Existenz haben, mit dem wir alle Zweifelnden überzeugen könnten.

Und so zweifeln auch die Gläubigsten schon einmal – Päpste nicht ausgenommen. „Der Weg des Glaubens führt auch durch die Finsternis, den Zweifel“, hat Papst Franziskus einmal gesagt.

Zweifeln ist ganz normal. Ist menschlich. Und ist es nicht tröstlich zu wissen, dass auch Jesus Thomas nicht verurteilt hat? Als er den Jüngern acht Tage später noch einmal erschien, forderte er Thomas dazu auf, seine Wunden zu berühren. Ob Thomas dann tatsächlich den Finger in die Wunden legt, darüber schweigt die Bibel. Aber er ruft „Mein Herr und mein Gott!“ und bezeugt mit dieser Aussage und seinen späteren Missionsreisen seinen Glauben.

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Der Glaube des Thomas
ein Auszug aus dem Johannes-Evangelium

Thomas, der Didymus genannt wurde, einer der Zwölf, war nicht bei ihnen, als Jesus kam. Die anderen Jünger sagten zu ihm: Wir haben den Herrn gesehen. Er entgegnete ihnen: Wenn ich nicht das Mal der Nägel an seinen Händen sehe und wenn ich meinen Finger nicht in das Mal der Nägel und meine Hand nicht in seine Seite lege, glaube ich nicht. Acht Tage darauf waren seine Jünger wieder drinnen versammelt und Thomas war dabei. Da kam Jesus bei verschlossenen Türen, trat in ihre Mitte und sagte: Friede sei mit euch! Dann sagte er zu Thomas: Streck deinen Finger hierher aus und sieh meine Hände! Streck deine Hand aus und leg sie in meine Seite und sei nicht ungläubig, sondern gläubig! Thomas antwortete und sagte zu ihm: Mein Herr und mein Gott! Jesus sagte zu ihm: Weil du mich gesehen hast, glaubst du. Selig sind, die nicht sehen und doch glauben.
Johannes 20,24-29

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