Erstellt von Xenia Frenkel

Einsamkeit: Wenn Verbindung fehlt – und Gemeinschaft heilt

Eine Frau sitzt alleine am Ende eines Steges zu einem See
Allein? Einsam? Das ist nicht das Gleiche

Vielleicht müssen wir in unserer ablenkungsreichen Welt auch akzeptieren, dass Verlassenheit und Einsamkeit zur menschlichen Existenz gehören. | Foto: shutterstock

Einsamkeit betrifft nicht nur ältere Menschen – besonders häufig leiden Jüngere darunter. Wird sie chronisch, entsteht ein Teufelskreis aus Rückzug und innerer Isolation. Doch echte Gemeinschaft kann neue Hoffnung und Lebensfreude schenken

Einsamkeit betrifft Menschen jeden Alters – ob mit Familie oder ohne, ob arm oder reich. Sie kennt weder Geschlecht noch Lebensphase und hat sich in unserer modernen Gesellschaft zu einem weit verbreiteten Problem entwickelt. In Deutschland lebt inzwischen rund jeder dritte Mensch allein: 41 Prozent der 41 Millionen Haushalte bestehen aus Einzelpersonen.

Doch Einsamkeit ist nicht nur eine Frage des Alleinlebens. Auch im Homeoffice, im urbanen Alltag oder innerhalb einer Familie kann man sich isoliert fühlen – besonders in einer Welt, die zunehmend von Digitalisierung, Automatisierung und Individualisierung geprägt ist.

Vor allem junge Menschen sind oft einsam

Doch wer ist besonders von Einsamkeit betroffen? Laut aktuellen Studien leidet etwa jeder Dritte in Deutschland regelmäßig unter Einsamkeit. Besonders häufig betroffen sind junge Erwachsene im Alter zwischen 15 und 35 Jahren – eine Altersgruppe, die oft im Übergang zwischen Ausbildung, Studium, Berufsleben und Umzügen steckt. Aber auch ältere Menschen, die unter eingeschränkter Mobilität oder dem Verlust nahestehender Personen leiden, sind gefährdet.

Diese Entwicklung zeigt sich nicht nur in Deutschland, sondern auch in Ländern wie Österreich, der Schweiz, den Niederlanden und Frankreich – mit vergleichbaren Zahlen.

Einsamkeit kann viele Gründe haben: beruflich bedingte häufige Umzüge, ständige Geschäftsreisen, das Leben in Großstädten oder auch der Mangel an echten sozialen Kontakten trotz technischer Vernetzung. Smartphones, Apps und Kopfhörer begleiten uns zwar rund um die Uhr, doch sie schaffen oft mehr Abstand als Nähe.

Einsam macht die Angst, nicht gesehen zu werden

Dabei ist Einsamkeit zunächst, wie Hunger oder Durst, ein natürliches Signal des Körpers für das Bedürfnis nach sozialer Nähe. Gemeinschaft ist für uns Menschen überlebenswichtig. Zum Problem wird Einsamkeit, wenn mangelnde Kontaktmöglichkeiten und die Schwierigkeit, Nähe herzustellen, als persönliches Versagen wahrgenommen werden. Die Angst, nicht dazuzugehören, nicht gesehen und wahrgenommen zu werden, ist eine zentrale Begleiterscheinung von Einsamkeit – sie verletzt das Selbstwertgefühl zutiefst. Das Gefühl der Ausgrenzung führt oft zum Rückzug, was wiederum Schamgefühl und Einsamkeit verstärkt – ein Teufelskreis.

Gemeinsam eine Einsamkeitskultur entwickeln

Regierungen sind alarmiert, weil Einsamkeit zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Schlafstörungen und Suchterkrankungen führt und die Gesundheitssysteme belastet. Einsame Menschen suchen häufiger ärztliche Hilfe, manchmal aus dem Bedürfnis nach einem Gespräch.

Viele Länder ergreifen Gegenmaßnahmen. Großbritannien und Japan haben Ministerien für Einsamkeit eingerichtet und versuchen, mit „sozialen Rezepten“ wie Garten- oder Tanzkursen zu helfen. Auch Deutschland hat ein Einsamkeitsbarometer veröffentlicht und einen Maßnahmenplan zur Erforschung von Einsamkeit verabschiedet.
In Parks stehen Plauderbänke, Supermärkte richten Plauderkassen ein – Orte für alltägliche soziale Interaktionen, die offenbar so selten geworden sind, dass man sie institutionalisieren muss.

Ob diese Maßnahmen wirken, bleibt abzuwarten. Auf keinen Fall sollten wir einsame Menschen sich selbst überlassen. Wir sollten eine Kultur der Einsamkeitsfähigkeit entwickeln. Marquard nennt drei wichtige Elemente: Humor, Bildung und Religion.

Humor hilft, Distanz zu sich selbst und den Zumutungen der Welt zu gewinnen. Bildung bietet in einsamen Stunden Zuflucht in der Schönheit und Tiefe der Schöpfung. Religion spendet Trost, da Gott auch dann da ist, wenn niemand sonst da ist.

Vielleicht wird sich eines Tages niemand mehr einsam fühlen, weil wir uns als Menschheitsfamilie begreifen und füreinander da sind. Ein freundlicher Blickkontakt oder ein Lächeln kann in der Einsamkeit lebensrettend sein.

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