Erstellt von Isabella Huber

Kloster Oberzell: Ordensleben zwischen Tradition und sozialem Wandel

Zwei Frauen bei der Gartenarbeit
Im Einsatz für Menschen am Rande der Gesellschaft – dafür stehen die Schwestern in Oberzell seit 170 Jahren

Nach vielen Jahren in der Frauenarbeit hat Sr. Reingard Memmel ihre Liebe zum Kräutergarten des Klosters entdeckt | Foto: Oberzeller Franziskanerinnen

Die meisten der rund 100 Oberzeller Franziskanerinnen leben im fränkischen Mutterhaus, vier in New Jersey und 25 in Südafrika. Sie alle eint das soziale Engagement – nicht nur, aber vor allem für Frauen und Mädchen in Not

Manchmal ist es gar nicht so einfach, Ordensleuten ein Lieblingsrezept aus dem Kreuz zu leiern, weil es in einem Kloster ja nicht anders ist als in einer Familie: Die eine mag Nudeln, andere lieber Kartoffeln. Nicht so in Oberzell, der klostereigene Hefezopf gehört zum Sonntag wie der Gottesdienst, und wenn eine der Schwestern Geburtstag hat, gibt es, logisch, Hefezopf mit einem Kräutertee aus dem Klostergarten. Das klingt ein bisschen betulich, täuscht aber gewaltig. Die Oberzeller Franziskanerinnen sind das glatte Gegenteil: modern und mitten in der Gesellschaft verwurzelt, sie engagieren sich für Mädchen in Not, ehemalige Straftäterinnen und das Priesteramt für Frauen.

Tatsächlich war schon die Gründerin der „Dienerinnen der heiligen Kindheit Jesu OSF“, so heißt die Gemeinschaft offiziell, eine ganz und gar unkonventionelle Frau. Als Antonia Werr am 14. Dezember 1813 in Würzburg auf die Welt kommt, wird ihr Vater ein paar Straßen weiter beerdigt. Als jüngstes von acht Kindern pflegt sie die Mutter, entschließt sich nach deren Tod in einen belgischen Orden einzutreten, hadert mit der Entscheidung, kehrt zurück nach Würzburg, führt ihrem Schwager den Haushalt, nimmt ein mittelloses Mädchen auf, beschließt für sich, arm, gehorsam und ehelos zu leben. 14 Jahre dauert die Suche nach der eigenen religiösen Berufung, dann legt sie die eigene „Zaghaftigkeit ab“ und gründet eine geistliche Gemeinschaft, die ein paar Jahre nach ihrem Tod als religiöse Kongregation anerkannt wird.

Im Dienst am Menschen

Unter Antonia Werrs Führung entsteht die „Rettungsanstalt für strafentlassene und verwahrloste Personen des weiblichen Geschlechts“, sie arbeitet mit Prostituierten und weiblichen Obdachlosen, um den Frauen wieder ein Leben in Würde zu ermöglichen. Nicht allen gefällt das im 19. Jahrhundert, aber sie hat prominente Fürsprecher. Die Gemeinschaft wächst, Antonia Werr mietet das leer stehende Oberzeller Schlösschen (das vor der Säkularisation schon einmal ein Frauenkonvent beherbergte), kauft ein leer stehendes Wirtshaus dazu und macht aus dem ehemaligen Tanzsaal eine Hauskapelle.

Das ist lange her, und natürlich haben auch die Oberzeller Schwestern heute Nachwuchssorgen – bodenständig, tolerant und offen durch ihren Dienst nah am Menschen ist die Gemeinschaft geblieben. 

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