„Zuversicht ist die Einsicht auf Aussicht.“
Ernst Ferstl, österreichischer Schriftsteller und Lehrer
So ist es. Ohne Zuversicht würde man kein Kind in die Welt setzen, kein Friseurgeschäft eröffnen, ja nicht einmal Gurken einlegen. Wer weiß denn schon, ob die in zwei, drei Monaten noch schmecken. Wenn Menschen düster in die Zukunft blicken, lähmt sie das bereits in der Gegenwart – was wiederum die Chance erhöht, dass ihre düsteren Visionen wahr werden. Schwindet der Glaube an positive Veränderungen, ist das nicht nur ein Problem für den Einzelnen, sondern für die ganze Gesellschaft. Es befeuert das Ohnmachtsgefühl – und den Autoritarismus.
Was wir jetzt brauchen, ist eine große Portion Zuversicht. Zuversicht meint nicht, Schwierigkeiten auszublenden, sondern ihnen standzuhalten und zu erkennen, dass sich selbst dann Spielräume finden lassen, wenn die Dinge nicht gut aussehen. Das ist der Kern der Zuversicht.
Zuversicht fällt nicht vom Himmel
Die Geschichte zeigt, dass Menschen in der Lage sind, ihren Lebensmut selbst unter widrigen Umständen zu bewahren. Die taubblinde amerikanische Schriftstellerin und Friedenskämpferin Helen Keller ist ein prominentes Beispiel, ein anderes Stephen Hawking, der mit Anfang 20 die fürchterliche Diagnose amyotropher Lateralsklerose (ALS) bekam. Die Nervenkrankheit schränkte Hawking genau so schlimm ein, wie es seine Ärzte vorhergesagt hatten. Dennoch fand er die Kraft zum Weitermachen, studierte Mathematik und Theoretische Physik, heiratete, bekam drei Kinder und machte eines Tages die sensationelle Entdeckung, dass Schwarzen Löchern eine Strahlung zugeordnet werden kann.
Nun fällt Zuversicht nicht vom Himmel. „Für Zuversicht muss man sich entscheiden“, sagt die katholische Theologin und Salvatorianerin Melanie Wolfers. „Es ist eine Haltung, eine Einstellung, die wir üben und uns zu eigen machen können – keine Sache von glücklichen Umständen oder von einer glücklichen Veranlagung.“ Und weiter: „Wir müssen der Zuversicht eine Tür öffnen.“
Was tut mir gut?
Statt sich immer wieder vorzustellen, was alles schiefgehen könnte, sei es zielführender, sich zu fragen: Was tut mir gut? Was macht mir Freude? Man kann gar nicht oft genug daran erinnern: bewusst atmen, ein Waldspaziergang, Vögel beobachten, mit dem Enkel singen, die Liebsten umarmen, meditieren, beten – all das kann Wunder bewirken. Es führt uns in den Augenblick, in dem alles gut ist. Ganz wichtig auch die Frage: Wo kann ich mich einbringen? Denn im Tun fühlen wir uns immer viel weniger ausgeliefert.
Zuversichtliche Menschen rufen sich und anderen ihre Stärken und Fähigkeiten ins Gedächtnis. Sie erzählen die guten Geschichten des Gelingens – solche, die handlungsfähig machen. Sie arbeiten gern mit anderen zusammen, sind widerstandsfähig und haben den Mut, Herausforderungen anzugehen und Verantwortung zu übernehmen. Ich denke dabei an die Steylerinnen und Steyler, die auf der ganzen Welt – und nicht selten unter schwierigen Umständen – mit unerschütterlicher Zuversicht tätig sind und gar keine Zeit haben, sich ständig das Schlimmste auszumalen.
Am Ende darf man zwischendurch aber auch einmal guten Gewissens alles Negative beiseiteschieben, verdrängen, vergessen – was auch immer – und unbeschwert mit seinen Lieben beisammen sein. „In dem kleinen Moment, der uns zwischen Krise und Katastrophe bleibt, können wir auch ein Glas Champagner trinken“, befand einmal Paul Claudel, französischer Dichter, Diplomat, gläubiger Katholik und Benediktineroblate. Da kann ich nur zustimmen. Es darf natürlich auch ein Glas Wein sein – oder eine schöne Tasse Tee.



