Erstellt von Xenia Frenkel

Was passiert mit der Liebe, wenn der Partner gepflegt werden muss?

In guten wie in schlechten Tagen
In guten wie in schlechten Tagen

Was passiert mit der Liebe, wenn der Partner gepflegt werden muss? | Foto: Busà Photography/GettyImages

In guten wie in schlechten Tagen: Für Armin*, 65, war das kein dahingesagtes Heiratsversprechen. Auch nicht für seine Frau Eva*, 59, die ihn seit viereinhalb Jahren umsorgt. Nach einem schweren Motorradunfall wurde Armin zum Pflegefall. Wie Eva den ganz anderen Alltag mit dem geliebten Partner erlebt, erzählt sie hier.

Wir hatten keine großen Pläne für die Zukunft oder unser Alter, so wie andere. Wir wollten einfach unsere Arbeit machen, Zeit mit unseren Söhnen und den Enkeln verbringen. Dieses Leben war mit einem Schlag vorbei.

Der 30. Oktober 2016 war ein Sonntag, die Sonne schien. Nach dem Mittagessen setzte sich Armin auf sein Motorrad, um einen Schulfreund zu besuchen. Als dieser am Nachmittag anrief, wo Armin denn bleibe, lag mein Mann schon im Krankenhaus im Koma. Knochenbrüche überall, Kiefer zertrümmert, massive innere Blutungen, schweres Schädel-Hirn-Trauma … Er war verunglückt.

Ein neuer Alltag

Man denkt, die Zeit auf der Intensivstation sei das Schlimmste. Die Zeit, in der man nicht weiß, ob der geliebte Mensch überlebt. Aber der schwerste Tag war, als wir Armin Monate später von der Reha nach Hause brachten. Armin, halbseitig gelähmt und auf einem Auge blind, festgeschnallt im Rollstuhl, die rechte Gesichtshälfte hing herunter. Solange er in der Reha war, war er ein schwer verletzter Patient. Jetzt war das mein Mann. Das hat mich umgehauen.

An den Tagen, an denen ich nicht arbeite, nehme ich mir Zeit für Armin. Wir machen einen Spaziergang, sitzen bei schönem Wetter im Garten.

Ein Gespräch zu führen, ist kaum noch möglich. Seit dem Unfall ist Armin auch sprachlich sehr eingeschränkt und weil er immer weniger spricht, wird das nicht besser.

Die körperliche Pflege ist nicht das Schwerste. Was mich extrem belastet, ist, dass mir Armin immer fremder wird. Sein Blick ist oft abweisend, manchmal schaut er mich richtig hasserfüllt an oder schlägt sogar nach mir. Das fing vor drei Jahren nach einer zweiwöchigen Kurzzeitpflege an.

Sorge und Wut

Du sagst dir natürlich immer wieder: „Er hat Angst, er weiß nicht, was er tut, das ist er nicht“, bis du halb verrückt wirst, weil er es ja doch ist.

Hat Armin seine Gefühle früher unterdrückt? Zeigt er jetzt, was er wirklich von mir hält? Hasst er mich womöglich? Aber warum? Solche Gedanken können mich die ganze Nacht wach halten.

Über meine Gefühle kann ich nur in der Angehörigengruppe offen reden. Dass ich manchmal eine solche Wut habe und um mich schlagen könnte. Wenn mich Armin wegstößt und schreit, weil er nicht in den Garten will, wenn er das Essen absichtlich aus dem Mund laufen lässt oder nicht angefasst werden will.

Der Hausarzt meint, das sei eine beginnende Demenz. Und dann?

In guten wie in schlechten Tagen

Armin war es damals wichtig, dass wir kirchlich heiraten. Das Heiratsversprechen „in guten wie in schlechten Tagen“ hat er ernst genommen. Dass sich Leute ständig streiten und scheiden lassen, konnte er überhaupt nicht verstehen. Ich schon. Trotzdem haben wir gut zusammengepasst. Wir hatten viele gute Jahre. Dieser Gedanke gibt mir Kraft.

* Namen geändert

Mehr über Armin und Eva erfahren Sie in unserer Zeitschrift.

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Und was kann ich tun?

  • Einfach nur zuhören. Ohne falsche Bewunderung und Ratschläge. Wenn Leute sagen: „Du solltest dich auch um dich kümmern“, schwingt so ein Unterton mit – „warum tust du dir das bloß an?“ Ich habe mich entschieden, Armin zu Hause zu pflegen, und möchte, dass man das akzeptiert.
  • Bitte kein mitleidiges Gesicht aufsetzen, falls man mich zufällig trifft. Mein Leben ist nicht nur schwer. Es gibt viele gute Tage, und ich schwatze und lache so gern wie früher.
  • Nicht nur über Armins Behinderung und Pflege sprechen. Ich habe Enkel, die großen Jungs, da gibt es viel zu erzählen.
  • Einfach mal vorbeischauen. Nachbarn, Freunde und Verwandte kommen nur selten spontan. Das fehlt mir. Es würde mich auch freuen, wenn man uns beide mal auf ein Mittagessen oder einen Ausflug einlädt. In Gesellschaft ist Armin viel besser beieinander und ich auch.
  • Konkrete Hilfe anbieten. Es wäre schön, wenn man mich anruft und fragt, was ich gerade brauche. Oder wenn alte Motorradfreunde Armin mal ungefragt zu einem Treffen abholen oder sagen würden: „Euer Zaun braucht einen neuen Anstrich, ich schau morgen vorbei und mach das.“
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