Erstellt von Michael Kreuzer SVD

Der ungläubige Thomas: Warum tun wir uns so schwer mit dem Glauben, Pater Kreuzer?

Der ungläubige Thomas: Warum tun wir uns so schwer mit dem Glauben?
Der ungläubige Thomas: Warum tun wir uns so schwer mit dem Glauben?

Steckt nicht in jedem von uns ein bisschen ein "ungläubiger Thomas"? | Foto: unplash

Nicht immer erschließt sich der Inhalt der Bibel beim ersten Lesen. Darum haben wir den Steyler Pater Michael Kreuzer gebeten, sie uns zu erklären.

Wir können nicht direkt in die Sonne schauen, wir würden sonst erblinden. Aber an ihrem indirekten Licht, in das sie alle Dinge dieser Welt taucht, ihnen damit Glanz verleiht, sie zur Geltung bringt und überhaupt erst sichtbar macht, erfreuen wir uns ganz außerordentlich, jeden Tag aufs Neue.

Die Kabbala, eine mystische Tradition des Judentums, hat den Begriff „Zimzum“ geprägt. Das hebräische Wort „Zimzum“ bedeutet Zusammenziehung, Konzentration, Rückzug, Selbstbegrenzung, Selbstbeschränkung. Die Kabbala sagt: Um die Welt erschaffen zu können, musste Gott zuallererst Platz für sie machen, indem er sich „zusammenzog“. Der allgegenwärtige und unendliche Gott musste sich „in sich selbst zurückziehen“, „sich selbst begrenzen“, um dem Nicht-Göttlichen Raum zu geben. Die Erschaffung der Welt folgte erst nach dem Zimzum Gottes: Gott musste zuvor seine Allgegenwart und Allmacht einschränken, sodass überhaupt Endliches entstehen konnte. Ohne Zimzum keine Schöpfung.

Ich halte das für einen wunderbaren Gedanken. Gott musste sich unsichtbar machen, weil er uns sonst mit seinem Lichtglanz blenden und lähmen würde. So hat Gott in seiner unendlichen Güte beschlossen, unsichtbar hinter allem zu bleiben, was ist, und nur indirekt, gebrochen, hindurchzuscheinen. Er will sich nur indirekt erfahrbar machen, damit wir nicht „erdrückt“ werden.

So scheiden schon alle „ungläubigen Thomase“ dieser Welt aus dem Glaubensweg aus, denn sie wollen nur gelten lassen, was sie mit eigenen Augen sehen können. Damit beginnen unser aller Schwierigkeiten mit Gott: mit seiner Unsichtbarkeit und nur indirekten Erfahrbarkeit, mit seinem Zimzum aus Liebe zu uns.

Kein Mensch hat Gott je gesehen. Kein Mensch ist mit einem Wissen über Gott geboren. Wir sind angewiesen auf Menschen, die uns Kunde von ihm bringen – die hinter die Dinge geschaut haben und vor allem in ihren Erfahrungen mit Menschen Gott begegnet sind. Wir haben großes Glück, wenn wir auf solch kundige Menschen stoßen und wenn die uns auf den Glaubensweg bringen. Deswegen dürfen wir uns über die „ungläubigen Thomase“ keineswegs erheben.

Wenn wir dann auf dem Glaubensweg sind, braucht es auch wieder lange, lange Zeit, viele, viele Jahre, unzählige Vertrauens-„Beweise“, bis unser Vertrauen in den großen Unsichtbaren so weit gewachsen ist, dass wir es zum Boden unseres Lebens machen und wir nicht nur mit einem Fuß und nicht nur mit halbem Herzen darauf gehen.

Wenn wir dann aber an diesem Punkt angelangt sind, an dem wir uns ganz IHM überlassen, dann sehen wir fortan alles in sein wunderbares, indirektes, sanftes, zärtliches Licht getaucht. Alles bekommt von IHM her Glanz und Bedeutung. Dann erfreuen wir uns an IHM jeden Tag aufs Neue.

Mehr kluge Texte der Steyler lesen Sie in unserer Zeitschrift.

Zur Rubrik

Teilen