St. Ottilien ist ein Dorf – mit Bäcker und Metzger, einem Hofladen, 160 Milchkühen und 1000 Hühnern. Es gibt eine Kirche, ein Gästehaus und ein Internat, aber auch eine Autowerkstatt und ein Museum, 75 Mönche leben hier und werden von 125 Mitarbeitern unterstützt. Wer in München, Augsburg oder Landsberg aufwächst, kennt St. Ottilien, weil der Erstkommunionsausflug dann traditionell ins Kloster der Missionsbenediktiner geht.
Wobei das Wort Missionsbenediktiner streng genommen ein Widerspruch ist: Benediktiner leben in festen Häusern und sind standorttreu, wer in die Mission geht – nach Afrika oder Südostasien – unternimmt eher das Gegenteil. Geschuldet ist das dem Ordensgründer, Andreas Amrhein, einem Benediktiner aus Beuron, der beides verbinden wollte, seine Ideen in Baden-Württemberg aber nicht verwirklichen konnte, stattdessen den Weiler Emming am Ammersee samt Herrenhaus und Wallfahrtskirche erwarb, um hier seinen eigenen Orden aufzubauen.
Das Wort Gottes in die Welt tragen, dort aber auch für Gesundheit, Perspektiven und Bildung zu sorgen, ist bis heute die Idee der Benediktiner aus St. Ottilien. 50 Standorte gibt es rund um den Globus, die Klöster sind wie Dörfer organisiert, in denen jeder tut, was er am besten kann. Die Missionsbenediktiner sind kein reiner Priesterorden, sondern bodenständig. Natürlich gibt es Pfarrer und Ärzte im Kloster, aber auch Bäcker und Bauern. Um die große Vogelvoliere in St. Ottilien kümmert sich der 82-jährige Bruder Ludwig, seit er die Verantwortung für den Fuhrpark und die Kfz-Werkstatt abgegeben hat. Bruder David leitet morgens das Klosterarchiv und arbeitet am Nachmittag als Erzieher im Tagesheim des Gymnasiums. Bruder Raphael ist Bäcker und Bruder Jürgen für die Tiere der klostereigenen Landwirtschaft verantwortlich. Ein bisschen kann man sich das Klosterleben in St. Ottilien wie ein Mehrgenerationenhaus vorstellen, die Küche ist so weltoffen, wie sich das für ein weltweit operierendes Unternehmen gehört – zumal in der Klosterküche nicht nur für verschiedene Nationen, sondern auch alle Altersstufen gekocht wird – vom Internatsschüler bis zum Klosterbruder in Rente.